Seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Jahr 2022 haben die EU und andere G7-Nationen kollektiv rund 300 Milliarden US-Dollar an Vermögenswerten der russischen Zentralbank eingefroren. Unter diesen Vermögenswerten werden etwa 196,6 Milliarden Euro von der in Belgien ansässigen Clearingstelle Euroclear gehalten. Im vergangenen Jahr haben diese Gelder um fast 4,4 Milliarden Euro an Wert zugelegt.
«Was die Beschlagnahme von Russlands Vermögenswerten betrifft, (...) ist es unserer Ansicht nach Sache der jeweiligen Rechtsprechung und Gerichte, dies zu bestimmen und zu entscheiden», sagte Kammer. Und er fügte hinzu: «Für uns ist wichtig, dass bei allen Massnahmen die Auswirkungen auf das Funktionieren des internationalen Währungssystems berücksichtigt werden.»
Kammer, der die früheren Aussagen des IWF zu diesem Thema wiederholte, erinnerte an die Worte von IWF-Chefin Kristalina Georgieva, man müsse «vorsichtig» sein mit solchen Massnahmen sein und «unbeabsichtigte Folgen» vermeiden.
«Und noch einmal, dies ist die Frage eines multilateralen regelbasierten Systems und eines gut funktionierenden internationalen Währungs- und Finanzsystems, dem wir alle Respekt entgegenbringen sollten, weil es (...) Wohlstand über die letzten Jahrzehnte gebracht hat», bekräftigte Kammer.
Es ist erwähnenswert, dass diese Äusserungen nach einem Bericht der Financial Times kommen. Demnach haben die USA vorgeschlagen, zugunsten der Ukraine Anleihen in zweistelliger Milliardenhöhe auszugeben, die durch potenzielle Einnahmen aus russischen Staatsvermögenswerten, die von westlichen Ländern blockiert wurden, gedeckt sind.
Zuvor und in einer Erklärung nach einem Treffen am 17. bis 18. April am Rande der Frühjahrstagungen des IWF und der Weltbank in Washington bekräftigten die Finanzminister und Zentralbankgouverneure der G7 ihre Entschlossenheit, Russlands Vermögenswerte eingefroren zu lassen, bis es Reparationen für den Krieg in der Ukraine zahlt.
«Wir bekräftigen unsere Entschlossenheit sicherzustellen, dass Russland für den Schaden, den es der Ukraine zugefügt hat, aufkommt. Die souveränen Vermögenswerte Russlands in unseren Rechtsprechungen bleiben bis dahin immobilisiert, im Einklang mit unseren jeweiligen Rechtssystemen», sagten die G7-Vertreter.
Die Vorschläge der Europäischen Union, die unerwarteten Gewinne aus den eingefrorenen Vermögenswerten Russlands für die Ukraine zu verwenden, wurden von den G7 begrüsst, ebenso wie Initiativen Grossbritanniens und der USA, den Handel mit neuen russischen Metallen an ihren globalen Metallbörsen zu stoppen.
«Wir werden weiterhin an allen möglichen Wegen arbeiten, wie immobilisierte russische souveräne Vermögenswerte genutzt werden könnten, um die Ukraine zu unterstützen. Dies geschieht im Einklang mit dem Völkerrecht und unseren jeweiligen Rechtssystemen und mit dem Ziel, unsere Führer vor dem Gipfeltreffen in Apulien im Juni zu informieren», heisst es in der Erklärung.
In der Schweiz ist eine Überführung von russischem Staatsvermögen immer noch hoch umstritten. Wie der Zweitrat in der Sache entscheidet, lässt sich jetzt noch nicht ermessen. Das Ausland macht in der Sache Druck, während in der Schweiz konservative Kreise und staatsrechtlich bewanderte Juristen nichts davon wissen wollen. Auf der politischen linken Seite tauchte hingegen vor einigen Tagen der Verdacht auf, die Schweiz würde ein vereintes europäisches Vorgehen torpedieren.
Kommentar Transition News:
Beim Überfall und der Annexion der baltischen Staaten durch die Sowjetunion im Jahr 1940 waren deren Goldreserven in London, Stockholm, Washington und Paris deponiert. Die Schweden stellten das Gold der UdSSR zur Verfügung, die Briten verkauften es, die Amerikaner verbrauchten es – nur die Franzosen gaben es anstandslos zurück.
Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 50 Jahre später mussten die Länder, die das ihnen anvertraute Gold verbraucht oder verkauft hatten, die baltischen Staaten entschädigen.
Die westlichen Leitmedien tun heute so, als wenn die Übertragung von russischem Staatsvermögen an die Ukraine ein Gebot der Stunde sei, es wenig Argumente dagegen und im Westen auch kaum jemand ausser einigen weltfremden Staatsrechtlern und verpeilten Putinverstehern geben würde, die das Ansinnen ablehnen.
Dass nun der IWF himself den Warnfinger gehoben hat, spricht Bände, wird aber in den Medien kaum erwähnt. In der Tat: Es gibt Gesetze und es gibt das Völkerrecht. Schon die Blockierung von ausländischem Eigentum ist grenzwertig. Dessen Zweckentfremdung ist völkerrechtswidrig. Über das kann man sich nicht hinwegsetzen mit der Begründung, dass das entsprechende Land einen Angriffskrieg führt. Das würde der grenzüberschreitenden Rechtssicherheit einen schweren Schlag versetzen. Jede Staatstätigkeit ist an Gesetze gebunden und darf diese nicht einfach nach freiem Ermessen verbiegen.
Der Hang des Westens, mit dem Völkerrecht zu argumentieren, wenn es passt, und dieses dann zu ignorieren, wenn es im Wege steht, wird von immer mehr Ländern auf der Welt als heuchlerisch entlarvt.
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