«High Noon beim Schweigegeld-Prozess gegen Donald Trump (77) in Manhattan!», schreibt die Bild. «Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Der Ex-US-Präsident hat seine gewonnene Präsidentschaftswahl manipuliert! Konkret sagte Staatsanwalt Matthew Colangelo in seinem Auftaktplädoyer, Trump habe ein ‹kriminelles Komplott› inszeniert, um die Wahl 2016 zu korrumpieren.»
Trump-Anwalt Todd Blanche hingegen habe in seinem Eröffnungsplädoyer gesagt: «Donald Trump ist unschuldig!» Der Fall «hätte niemals zur Anklage gebracht werden dürfen! Nichts war illegal! Punkt!»
Blanche habe sich auch der Kronzeugin Stormy Daniels, einer Ex-Pornodarstellerin, gewidmet so die Bild. Sie habe Hunderttausende Dollar gemacht mit der Story über die Nacht mit Trump; es habe Deals für ein Buch und TV-Rechte gegeben. Laut dem Anwalt Blanche könne man ihr nicht vertrauen.
Trump ist wohlgemerkt der erst US-Präsident, der angeklagt wird – und dann sieht er sich auch noch insgesamt mit vier Anklagen konfrontiert.
Stellt sich also erst recht die Frage, was es für Trump bedeuten würde, wenn er vor den Präsidentschaftswahlen im November tatsächlich verurteilt würde. Dieser Frage geht Julia Mueller, Redakteurin bei The Hill, nach. Immerhin drohen dem Ex-Präsidenten nach Auffassung der Bild bei 34 Anklagepunkten bis zu 136 Jahre Haft.
Muellers Einschätzung:
«Eine Verurteilung in dem New Yorker Verfahren, in dem Trump wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen angeklagt ist, würde ihn zwar nicht von der Präsidentschaftskandidatur ausschliessen, könnte aber seine Kandidatur im Jahr 2024 in Frage stellen und die Möglichkeit eröffnen, dass der diesjährige Kandidat der Republikaner ein verurteilter Verbrecher ist.»
Mueller zitiert Stephen Saltzburg, Juraprofessor an der George Washington University und Schlichter am US-Berufungsgericht für den District of Columbia, mit folgenden Worten: «Wenn er in 34 Anklagepunkten verurteilt wird, ist das selbst für jemanden wie Donald Trump, der der Teflon-Kandidat zu sein scheint, nicht ohne Folgen.»
Der Gerichtsprozess steht im Zusammenhang mit der Wahl 2016, als Trump seine erste Amtszeit gewann. 2016 zahlte Trumps damaliger Mittelsmann Michael Cohen während des Wahlkampfs 130’000 Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels, um ihre Behauptungen über ein sexuelles Treffen mit Trump, das etwa zehn Jahre zurückgelegen haben soll, zu entkräften. Trump bestreitet die Affäre.
Trumps Unternehmen verbuchte den Betrag als Gerichtskosten. Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan behauptet, dies sei unrechtmässig. «Und da Trump seine rechtlichen Probleme weiterhin als politisch motiviert darstellt, werden der Prozess und das endgültige Urteil die Meinung der Wähler von 2024, die bereits fest in seinem Lager sind, wahrscheinlich nicht ändern», so Mueller.
«Dennoch würde eine Verurteilung ihn als Schwerverbrecher brandmarken», meint Mueller. «Und das könnte einige wichtige Wähler abschrecken, darunter Unabhängige und einige Republikaner, die für Recht und Ordnung eintreten.» Dazu Saltzburg:
«Wenn er aus dem Prozess als verurteilter Verbrecher hervorgeht, glaube ich nicht, dass das bei den unabhängigen Wählern gut ankommen wird, auch wenn sie keine grosse Bevölkerungsgruppe sind. Ich denke, die Leute werden zögern, bevor sie für einen verurteilten Straftäter stimmen»
Mueller erwähnt auch eine Umfrage von Bloomberg und Morning Consult, die Anfang des Jahres veröffentlicht worden sei. Diese habe ergeben, dass 53 Prozent der Wähler in den wichtigsten Swing States – also in den US-Bundesstaaten, die als politisch ausgeglichen gelten und weder mehrheitlich republikanisch noch demokratisch sind – sich weigern würden, für Trump zu stimmen, wenn er wegen eines Verbrechens verurteilt würde. Und diese Zahl würde auf 55 Prozent steigen, wenn er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt würde.
Ein Freispruch in New York, merkte Saltzburg an, könnte derweil dazu führen, dass die Leute Trumps andere Gerichtsfälle «ausser Acht lassen», was ihm im Rennen 2024 einen grösseren Auftrieb geben würde.
Mueller macht auch darauf aufmerksam, dass es einige Zeit dauern könnte, bis die Geschworenen in Manhattan eine Entscheidung treffen. Es werde erwartet, dass der Prozess mehrere Wochen dauert. Die Demokraten würden hoffen, dass ein langwieriger Prozess Trump den Wind aus den Segeln nehme und Biden die Chance gebe, seine Unterstützung im Wahlkampf zu festigen.
Mueller zitiert auch Ilya Somin, Professor für Recht an der George Mason University und ausserordentlicher Wissenschaftler am Cato Institute, der meint:
«Es ist sicherlich richtig, dass eine Verurteilung oder sogar ein Gefängnisaufenthalt einen nicht daran hindert, für das Präsidentenamt zu kandidieren oder sogar gewählt zu werden. (...) Die Übernahme des Amtes wäre jedoch eine schwierige Situation, wenn der Präsident im Gefängnis sässe.»
Die meisten Experten würden davon ausgehen, so Mueller, dass die Schweigegeldaffäre noch vor dem Wahltag abgeschlossen wird – und einige würden sagen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass eine weitere Anklage gegen Trump noch vor November vor ein Gericht kommt.