Mut hatte er ja, dieser ältere Herr. Ungeniert geigte er vor laufender Kamera Bundeskanzler Scholz die Meinung, die eben nicht nur seine private war: dass Deutschland «die dümmste Regierung der Welt» habe, wie es heisse, und er von Ministern umgeben sei, «die überhaupt nichts können». Ob er die nicht «rauswerfen» oder ihnen wenigstens «Nachhilfeunterricht geben» wolle?
Im nächsten Moment verschwanden diese Vorhaltungen zwar hinter dem souveränen Lächeln des Polit-Profis. Die Fragen selber jedoch blieben bestehen und mit ihnen das Entsetzen darüber, dass offenkundig unfähige Subjekte sich zu Leitfiguren aufschwingen und sich dann auch noch in luftiger Höhe halten könnten. Auch andernorts wird dem deutschen Bundeskanzler «wortreiches Vollversagen» vorgeworfen.
Die Verhängnisse, die solchen Figuren nachfolgen, sind nur allzu offenkundig: wie sie Firmen vernichten mit hohen Energie-Preisen und Familien mit der Vereinzelung ihrer Glieder; wie sie Weltraum-Nationen mit Entwicklungshilfe begleiten, alte Menschen für den Bevölkerungsaustausch auf die Strasse setzen und die Massen mit Viren-Angst und Spritzen-Heil zu dauerhafter Gefügigkeit konditionieren.
Und eine Mehrheit macht mit. «Wir haben es mit einem Volke zu tun, das seiner ganzen Anlage nach extrem affektiv denkt und handelt (....); es geht nicht von den nüchternen Tatsachen aus, sondern von Wünschen, und es denkt utopisch.» Wenn wir es nun zugleich mit einer «negativen Auslese» zu tun haben, mit der «herrschenden Horde, der Auslese der Miserabelsten, der Skrupellosesten», so «stirbt ein Volk den inneren Tod», analysiert Hans Windisch in seinem wegweisenden Buch «Genius und Dämon» (Seiten 22 und 14), verfasst im Jahre 1946.
Doch Zuschauen und Resignieren gilt nicht. Denn es waren zu einer früheren Zeit ja gerade die «Stillen im Lande» (Seite 19) und die «indifferente Masse», die es mit ihrem Schweigen und ihrer unpolitischen Haltung möglich gemacht hatte, dass «stetig Bodensatz nach oben steigt». (24) Dem gilt es gegenzuhalten, erst recht. «Gemeint ist jeder», «jeder intelligente Mensch, jeder klare Kopf, legitimiert nicht durch irgendeinen Dünkel, sondern durch eine Pflicht». (25)
Über die wirkliche Anzahl derer, die diesen Ruf hört und ihm dann auch folgt, macht sich Hans Windisch indes keine Illusionen. «Etwa 5000 geht es an» (26), fünftausend unter vielen Millionen. Menschen, die sich dem geistigen Schutt der Gegenwart stellen; «nicht Leute, die ‹alles viel besser wissen›, sondern Leute, die überhaupt etwas wissen möchten. Vielleicht ist das der Unterschied.» (8)
Windisch nennt sie «Gerettete. Überlebende. Reste. Urenkel einer Tradition. Keimzellen» (26), «Steuerleute» für den neuen Kurs (11), die bereit sind, aus vergangenen Irrtümern Lehren zu ziehen und «das narkotisierende Etwas» (22) des Zeitgeistes selbstlos seiner Magie entkleiden.
Äusserlich entgehen zwar auch sie nicht den bedrückenden Umständen und ihrer eigenen «Proletarisierung». Wie alle anderen leiden auch sie am schleichenden Untergang und der Vermassung der Menschen. Aber sie sind «Suchende» und als solche unterwegs zu einem «illusionsfreien Bild unserer selbst» (27).
Nur schon die Bereitschaft dazu lässt diese «Minorität in der Majorität» (14) zu einer «Werteauslese» (11) heranwachsen und macht ihre Gemeinschaft zu Keimzellen, zu den «ganz bestimmten Zentren», die einer Epoche die «Atmosphäre» verleihen (25). Die Amoralität und vorsätzliche Blindheit der Führung in Gegenwart oder jüngster Vergangenheit sind erwiesen. Für die Zukunft entscheiden nun diese Realisten des Geistes über die Frage: Wird das Dasein zu einer «Katakombe» oder zu einer «Heimat» (28)?
«Da erschien ihm [Gideon] der Engel des HERRN
und sprach zu ihm: Der HERR ist mit dir, du tapferer Held!
Gideon aber sprach zu ihm: Ach, mein Herr, wenn der HERR mit uns ist, warum hat uns dann dies alles getroffen? ... Nun aber hat uns der HERR verlassen und in die Hand der Midianiter gegeben!
Der HERR aber wandte sich zu ihm und sprach:
Geh hin in dieser deiner Kraft!» Richter 6,12-14
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Wort zum Sonntag vom 12. November 2023: Der freigespülte Mensch
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
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